Das Image interessiert mich nicht
Im Interview bei 16bars.tv, einer Hip-Hop/Rap Seite im Netz, gab Comedian, Kabarettist und Musiker Serdar Somuncu – nicht zum ersten Mal – viele wahre Worte von sich. Und trifft damit auch für mich, der seine Gedanken nicht in dieser Reinform verbalisieren kann, den Nagel auf den Kopf. Es geht darum, wie Genre- und Image-fixiert Musik mittlerweile behandelt wird. Ich werde sicher für viele der Alben in meiner Sammlung schief von der Seite angeguckt, weil ich weder aussehe als würde ich Hardcore oder Metalcore hören, noch als wäre ich Anhänger des Deutschpop/-rock von Silbermond oder Juli. Doch muss man es immer an Äußerlichkeiten festmachen? Ich glaube nicht, und ähnlich sieht es auch Somuncu:
Ich habe einen sehr breit gefächerten Musikgeschmack. Ich höre alles, ich höre Death Metal, Jazz, Punk und Klassik und wenn mich etwas berührt ist es mir egal, zu welchem Genre es gehört und ob das Image passt. Das Image interessiert mich nicht. Ob das jetzt coole Typen sind, die das machen oder ob das zu meinem Lifestyle passt – das ist scheißegal. Mich muss die Musik berühren. Das ist oft so, dass ich bei der Musik die ich heutzutage höre das Gefühl habe, das ist das Produkt einer Industrie die etwas abfangen will. Da sitzen Leute dahinter, die überlegen sich „okay Skateboard, okay das und das, dann machen wir diese Musik dazu, dann passt das genau auf den Lifestyle“. Deswegen hören dann alle jungen Frauen zwischen 25 und 35 Roger Cicero und alle Männer die sich cool finden zwischen 27 und 32 Hip-Hop. Das ist nicht mein Ding.
— Serdar Somuncu
Und hinter all dem steckt so viel Wahrheit. Auch mir ist das Genre ganz egal. Wenn mir etwas gefällt gebe ich nichts darauf, was coole Leute davon denken, oder ob es in ein Bild passt, das man von mir oder dem Künstler hat. Ich möchte das dann einfach genießen. Mit den Ohren, nicht mit den Augen oder dem Sinn für Stil. Denn das ist nicht das, was Bedeutung hat. Jedenfalls für mich. Leider hat Somuncu Recht und die Industrie legt immer mehr wert darauf, wie etwas vermarktet wird, welche Zielgruppe es anspricht und welches Klischee bedient wird. Da wird dann bis zum Erbrechen weichgespült und totproduziert, um die Platte irgendwie in eine Richtung zu bringen, die vom Künstler aber ursprünglich gar nicht vorgesehen war. Und das alles fürs schnelle Geld.
Da fällt mir auch ein Beispiel ein. Als die Black Eyed Peas 2003 mit dem Album „Elephunk“ im Mainstream angekommen waren, hatten Text und Musik noch viel Potenzial und vor allem Inhalt. Mit gesellschaftskritischem Material wie „Where is the love“ schafften es die Peas 2003 bestens in die Charts und brachten gleichzeitig noch eine Botschaft mit.
What’s wrong with the world mama People living like they ain’t got no mama I think the whole world’s addicted to the drama Only attracted to things that will bring you trauma Over seas, yeah, we tryin’ to stop terrorism But we still got terrorists here living in the USA The big CIA, the Bloods, and the Crips and the KKK (…)
— aus „Where is the love“
Heute ist nichts mehr mit Gesellschaftskritik oder annähernd hörenswerter Botschaft. „Only attracted to things that will bring you trauma“? Die Black Eyed Peas haben sich selbst zum Trauma gemacht. Oder eben machen lassen. Sie fallen jetzt in eine Rolle. Die Rolle der seichten Unterhaltungsmacher. Ohne Hintergrund. Dafür mit coolem Image und Lifestyle.
I gotta feeling That tonight’s gonna be a good night That tonight’s gonna be a good night That tonight’s gonna be a good, good night
— aus „I gotta feeling“
Und weil ich mir all das Image zu ignorieren versuche und nur die Musik wahrnehmen will, wirken Songs wie „I gotta feeling“ gerade zu mickrig vor denen der frühen Black Eyed Peas. Das ist schade, denn ich bin sicher, dass wir es hier mit ausgezeichneten Musikern zu tun haben.
Doch mich interessiert viel mehr: Wie viel gebt ihr auf das Image eines Musikers oder einer Band? Was wäre nach Weltauffassung der „cool Kids“ in eurer Sammlung ein echt peinliches Stück und was gefällt euch trotzdem daran? Für mich ist es Sara Bareilles mit „Little Voice“. Das passt sicher gar nicht in das Bild eines musikhörenden Mannes, aber trotzdem ist das eine hervorragende Pop-Platte, toll produziert und mit viel Klavier, was mir immer gut gefällt.