John Mayer – Heavier Things

Mit einem der großartigen Alben meiner Sammlung und diesem Eintrag beginne ich eine neue Reihe in meinem Blog: Meinen Album-Tipp! Dabei geht es mir nicht darum, einfach ein paar CDs runter zu rattern, sondern mit Herz und Verstand auch etwas Hintergrund zu vermitteln. Ich habe erst vor vielleicht einem Jahr wirklich begonnen aktiv CDs zu sammeln. Und mit fast jedem Album im Regal (und in der kurzen Zeit haben sich bereits etwas mehr als 100 Exemplare angesammelt) verbinde ich etwas oder kann zumindest grob sagen, wie und warum es mir gefallen hat — etwas das ich mit meinen Songs aus dem iTunes Store nie konnte. Und weil durch die Sammlerei eine neue Leidenschaft ihren Weg gefunden hat, will ich diese nun weitergeben und ein bisschen Mut machen, mal wieder eine CD zu kaufen. Und ein guter Anfang war für mich John Mayers „Heavier Things“.
Seit April 2011 besitze ich diese CD und sie ist mir eine der allerliebsten. Kaum ein anderer Künstler hat es bisher geschafft mich so zu berühren und zu faszinieren wie John Mayer. Seine Musik ist für mich einzigartig; von Leichtigkeit und doch unglaublicher Komplexität. Das zeigt sich sowohl musikalisch als auch lyrisch. Die Texte von Mayer sind von großer emotionaler Tiefe und das hört man auch.
An artistic overview
John Mayer schreibt selbst. Er ist ein Singer/Songwriter wie er im Buche steht und man hört, wie viele eigene Geschichten in seinen Songs stecken. Grundsätzlich wird er dem Pop/Rock zugeschrieben. Doch vermehrt findet man auch große Blues-Rock-Einflüsse in seiner Musik.
2001 erschien Mayers erstes Studioalbum, zunächst lediglich als Online-Veröffentlichung. „Room for Squares“ wurde kurz nach der Übernahme von Mayers Plattenlabel durch Columbia Records neu aufgelegt und erschien dann auch auf klassischen Medien. Ende 2002 hatte John Mayer so zahlreiche Radio-Singles in den Charts, darunter „No Such Thing“, „Your Body Is a Wonderland“ und „Why Georgia“. Besonders „Your Body Is a Wonderland“ erlangte auch in Deutschland großen Erfolg und schaffte es in den deutschen Charts auf Platz 51. Es hielt sich dort für 9 Wochen und ist damit so erfolgreich wie kein anderer Mayer Song.
Obwohl Mayers erstes Album noch sehr deutlich im Pop-Rock/Acoustic-Pop angelegt war, zeigte er auch an anderen Genre immer reges Interesse. 2007 gab es sogar mal eine Kooperation mit dem Rapper Kanye West. Doch Mayers Ziel war eher der Blues. Ab 2005 arbeitete er zunehmend mit Blue-Koriphäen wie B.B. King und Eric Clapton zusammen und musizierte auch mit Jazzern wie John Scofield und Herbie Hancock. Auch eine eigene Blues-Combo entstand und als „John Mayer Trio“ treten Schlagzeuger Steve Jordan und Basser Pino Palladino mit Mayer auf. In diesem Zusammenhang ist besonders die „Where The Light Is“ Konzert-DVD zu erwähnen, die sicher in einem zukünftigen Artikel Beachtung finden wir. Hier spielt die drei „Inkarnationen“ seiner Musik auf einem einzigen Konzert. Auf einige seiner besten Songs in rein akustischer Fassung folgen so 8 Titel des „John Mayer Trio“ und zeigen das Potential von Mayer außerhalb von starren Pop-Rock-Songstrukturen — er präsentiert sich als Meister der Improvisation:
„Heavier Things“ ist John Mayers zweites Album und wurde im September 2003 veröffentlicht. Es gehört wohl noch ins Pop-Rock Genre, doch das macht das Album nicht weniger interessant oder gut. Von vielen Kritikern wird es auch nach zwei weiteren Studioalben nach wie vor als Mayers bestes Werk angeführt. Dies lässt natürlich die Unvergleichbarkeit der Alben durch den großen musikalischen Wandel untereinander völlig außer Acht, hat aber trotzdem einen Funken Wahrheit an sich.
Das Album ist mit etwa 46 Minuten und 10 Songs angenehm lang. Genau richtig für die musikalische Aufmerksamkeitsspanne. Es startet spannend und endet ruhig, geht dazwischen aber deutlich nach vorne. Und all das will ich im Folgenden genauer betrachten.
Track by track
1. Clarity
Ein wundervoller Opener für ein wundervolles Album. Nur ausgehend von Klavier, Bassdrum-Track und Klatschen auf 2 und 4 lässt es sich wunderbar leicht einsteigen und Clarity überzeugt durch eben solche Klarheit und ein Gefühl der Leichtigkeit. Schließt man die Augen findet man sich schwerelos zwischen dem Bassdrum-Track, dem Klavier und Mayers sanfter Stimme. Der Song scheint sehr Tief mit viel Raum, in dem sich der Klang langsam ausbreitet, immer steigernd und um Instrumente wachsend. Leichtfüßig gesellt sich Mayers Akustikgitarre dazu und wird zum ersten Interlude begleitet von elektrischen Gitarrenklängen.
Der Refrain lässt bereits vermuten wohin das Album gehen soll: mit mehr Drive nach vorne. Und zur zweiten Strophe gesellen sich sogar noch Bläser dazu. Trotz breiter Instrumentierung verliert Clarity aber nicht an Klarheit sondern bleibt schön durchsichtig und leichtgängig. Für einen kleinen Break wird dann noch mal nur auf Bläsersatz reduziert, um dann zum Ende zu kommen. Über einem Doppelrefrain mit ganzer Instrumentierung kommt dann der Fade-Out und lässt den Song so leicht in Erinnerung bleiben, wie er begann. So als würde er in die Ferne davonschweben.
Clarity ist einer der stärksten Songs gleich zu Beginn und macht große Freude und Lust auf mehr. Song 2 kann man dann kaum noch erwarten … ★★★★★
2.Bigger than my body
Es geht los mit Druck! Die Leichtigkeit von Clarity weicht dem bodenständigen Groove von Bigger than my body, begleitet von leichten Synths. Das Intro ist langgezogen und bleibt bis in die erste Strophe, die erst ab der Hälfte „ausgewachsen“ ist. Im Refrain wirkt der Song dann geschlossen, mit viel Kraft nach vorne und fällt in der nächsten Strophe wieder fast auf Intro-Klangbild zurück. So bildet sich ein schönes Wechselspiel zwischen dem stampfenden Schlagzeug-Beat und der im Refrain überfliegenden Gitarren. Kräftig ist auch die Bassspur. Sie wirkt rau, fast ein bisschen dreckig, aber nicht verzerrt. Sie wechselt in Strophen zwischen tiefen Bassphrasen und oktavierten Stellen und schafft so weitere Abwechslung, während es im Refrain straight nach vorne geht.
In der Bridge wandelt sich der Song nochmals völlig. Auf Bass und Schlagzeug laufen nur noch Synthie-Sounds und Mayers Gesang. Nach einem letzten „Aufbäumen“ zum Refrain bricht der Song wieder runter auf Intro-Stimmung und endet langsam auslaufend in dieser. Bigger than my body ist eingängig und gut gelaunt. Trotz Eingägigkeit ist er technisch nicht einschläfernd und erfreut auch mit Abwechslung. ★★★★☆
3. Something’s missing
Mit diesem Song präsentiert sich Mayer erstmals in nachdenklicherer Stimmung. Es geht nicht mehr nur um Druck und Drive nach vorn. Stattdessen ist der Gesang nun zentral und die Instrumentierung entsprechend reduziert und zurückhaltend. Die Funk-Gitarre begleitet Mayers Text ebenso wie wabernde Gitarren-Pads; im Refrain stößt auch eine Orgel dazu und gibt etwas mehr Hintergrund.
Die Strophen sind allesamt wie beschrieben reduziert, erleben aber trotzdem chronologischen Aufbau. Die Pattern der Gitarre werden zwar nur minimal komplexer, tragen aber zum Anstieg des Songs bei. In einem weiteren Durchlauf des Refrains präsentiert sich auch dieser auf Strophen-Niveau reduziert und stellt die Textzeilen auch hier nun vollkommen in den Vordergrund.
Das Outro ist besonders in die Länge gezogen und gibt sich mit einer gesanglichen Aufzählung und schließlichem Fade-Out. Die Aufzählung „beendet“ die Geschichte des Songs. Mayer zählt auf, was er denn alles hat, was ihm also nicht fehlt, ohne dabei ein Ende zu finden – der Fade-Out lässt die nicht enden wollende Aufzählung erkennen. „Friends, check. Money, check. A well slept, check. Opposite sex, check. Guitar, check. Microphone, check. Messages waiting for me, when i come home, check.“ Was ihm fehlt, weiß er nicht und doch fehlt es. ★★★☆☆
4. New deep
Mit gezupfter E-Gitarre eröffnet Mayer einen fröhlichen Song. Er ist tatsächlich etwas seicht und ohne viel Tiefe, doch vielleicht macht gerade das ihn so schön. Er geht leicht in die Ohren und spielt munter vor sich hin, ohne zu viel vom Hörer zu fordern. Er wartet mit ähnlicher Leichtigkeit auf wie schon zuvor Clarity und auch im Text spiegelt sich dies wieder:
Cause ever since I tried, trying not to find every little meaning in my life, it’s been fine. I’ve been cool with my new golden rule
Numb is the new deep. Done with the old me. And talk is the same cheap it’s been.
Mit diesem Song fällt es leicht, nicht alles ernst zu nehmen. Abprallen zu lassen. Taub zu sein für das Gerede. Nicht mal die Analyse will man da besonders aufwändig gestalten, sondern genießt einfach die kleine Instrumentierung, ohne viel Hokus Pokus, während der Song langsam dahinplätschert. ★★★★☆
5. Come back to bed
In aller Leichtigkeit geht es auch weiter, aber weniger nur fröhlich als zufrieden. Die Strukturen sind wieder klar und offen, der Song ist langsam und entspannend. In den Strophen wird Mayers Gesang minimal von Gitarrenklängen umspielt, das Schlagzeug spielt dezent nebenher.
Zum ersten Mal gibt es auch richtiges Gitarrensolo, doch auch dieses ist sehr reduziert und eher entspannt – jedenfalls für die erste Hälfte. Danach geht der Song auf, eine Hammond tritt deutlich ins Bild und das Gitarrensolo gewinnt an Herzblut. Es folgt noch ein Refrain und dann ein Outro, das von Mayers E-Gitarre solistisch bedeckt wird und zum Schluss in sich zusammenfällt und nur noch Rhythmus-Gitarre und Mayer übrig lässt. ★★★★★
6. Home life
Home life sticht auf diesem Album vor allem musikalisch heraus. Die Stimmung ist unklar und im Grunde leicht disharmonisch. Erst im Interlude löst sich dies auf und die Bridge gibt dann endlich greifbares Strukturen preis. Insgesamt ein schöner Song, der aber mysteriös wirkt. ★★★★☆
7. Split screen sadness
Split screen sadness beschreibt für mich immer die Geschichte einer Fernbeziehung und damit springe ich gleich zur Interpretation. Sie leiden unter der Entfernung und Mayer scheint es zu beenden. Doch er bereut es und ruft seine Liebe an, die dann aber auflegt.
I called because I just need to feel you on the line. Don’t hang up this time. And I know it was me who called it over but, I still wish you’d fought me ’til your dying day. Don’t let me get away.
Entsprechend ruhig ist der Song, er kommt von Herzen und das spürt man. Eine Orgel steht in der Instrumentierung ganz im Vordergrund und begleitet Mayer die ersten Takte allein. Der Song ist träumerisch und trotz eher positiver Grundstimmung doch sehr nachdenklich. ★★★★☆
8. Daughters
Zu der akustischen Ballade Daughters erzählte John Mayer selbst auf dem VH1 Storytellers 2011 Konzert die Geschichte des Songs die ihn am besten charakterisiert und die Emotionen beschreibt die darin stecken:
I think I had an experience that a lot of guys had: I loved I girl a lot and she couldn’t trust men. And if you trace it back is to why it’s the first man in her life she couldn’t trust. And I know this song called daughters sounds a lot like I’m just sitting around the house, spit balling, coming up with some nice lofty things to sing about, but it really is the result of having traced it backwards, trying to figure out how i could probably love this person. And the answer is you can’t, because someone else didn’t before you.
I know, … „What does he know? What does this 24 year old kid know about having kids?“ … I don’t, but … I would liked to have in that situation and could really get it through like „I’m not gonna hurt you. I’m gonna do the opposite“. […]
And I’m really singing to a girl. I’m like „fathers be good to your daughters, because I can’t love this girl.“ When I meet one more beautiful woman with daddy issues, I swear to God I’m just gonna go insane …
★★★★★
9. Only heart
Nach einigen ruhigeren Tönen legt Mayer nun wieder mehr Drive an den Tag. Ein treibender, dreckiger Schlagzeug-Groove eröffnet Only heart und der Song bleibt bis zum Refrain eher in reduziert rockiger Grundstimmung. Im Refrain geht das Ganze dann auf und das Klangbild füllt sich mit mehr Gitarrenklängen und einer zweiten Stimme für Mayers Texte. Only Heart wartet auch mit einem ausgedehnten Solo auf, das perfekt in die Szenerie passt. Leicht verzerrter Sound und tolle Phrasen machen es zum Highlight des Songs und den Song selbst zu einem Highlight der ganzen Platte. ★★★★★
10. Wheel
Wheel is sehr ruhig und melancholisch und hinterlässt das Album formvollendet. Ähnlich wabernde Gitarren wie schon in Clarity schließen den Kreis und nach einem tollen Hörerlebnis bleibt nun die herzliche Entlassung. Der Song hat keine großen Überraschungen zu bieten und ist trotzdem wunderbar sanft und man kann sich an vielen sanften Phrasen der Gitarre erfreuen. Sie wirken ein wenig wie improvisiert. Man stellt sich vielleicht Mayer auf der heimischen Couch vor, wie er vor sich hin klimpert (was im Übrigen gar nicht so sehr aus der Luft gegriffen ist – weite Teile des ganzen Albums wurde in seinem New Yorker Apartment aufgenommen). ★★★★★
Insgesamt ist Heavier Things also ein Album voller Emotionen und brillant geschriebener Musik und Texte. Auch die Produktion ist hervorragend und die Songs sind allesamt ausgewogen und schön arrangiert. Wem Singer/Songwriter-Musik gefällt und wer mit teils tiefsinnigen Texten etwas anfangen kann findet hier sicher was.