Reise nach Rechtsaußen – und niemand zieht die Bremse
Jens Spahns Vorstoß zur Normalisierung der AfD war ja in den letzten Tagen kaum zu ignorieren und ist – außerhalb der AfD – auf breite Ablehnung gestoßen. Zu Recht. Georg Löwisch analysiert in der »Zeit«:
[Spahn] lebt politisch davon, die CDU nach rechts zu rücken und die Mitte weich zu reden. Wer Spahn folgt, reist mit ihm womöglich in eine andere Welt.
Und die letzten Monate haben gezeigt, dass nicht nur Jens Spahn auf einer Reise des politischen Opportunismus ist, sondern auch andere führende CDU-Politiker*innen. Das legt – trotz aller Brandmauerbekenntnisse – die Vermutung nahe, dass hinter der Strategie mehr Kalkül steckt. Beim Gebaren der Parteispitze ist Hanlons Rasiermesser längst stumpf wie ein Löffel: So viel irrationale und wirkungslose Anbiederung an die AfD lässt sich nicht mehr mit Dummheit oder Unwissenheit erklären.
Ich fürchte daher zunehmend, dass wir bei Spahn, Merz & Co. eine bewusste Strategie beobachten, die AfD zu normalisieren und zur Not für kommende Wahlen als Koalitionspartnerin salonfähig zu machen. Das passt auch mit der Wahlkampfrhetorik von Merz zusammen, der jetzt nach der Bundestagswahl vor allem mit der Offenbarung seiner Lügen glänzt. Warum sollte, im Eifer des Gefechts, im nächsten Wahlkampf nicht auch die Brandmauer bzw. das Festhalten am Unvereinbarkeitsbeschluss (zumindest nach rechts) dazu gehören?
So oder so: auf das Wort der CDU ist kein Verlass. Da ist es auch nicht unwahrscheinlich, dass sie aus Machtgier lieber mit der AfD koaliert, als (mit Rückgrat) die Regierungsverantwortung wieder abzugeben. Rechtskonservative wie Spahn spielen womöglich deshalb gerade ein politisches Long Game für den Machterhalt und stellen dabei »nie wieder Opposition« über »nie wieder ist jetzt«. Und egal, wie sehr sich Blackrot die Schwarz-rote Koalition derzeit das AfD-Programm einverleibt: Profitieren wird am Ende die AfD. Am Ende der kommenden Legislaturperiode dürfte sie eher gestärkt als geschwächt dastehen – und damit stärkste Kraft werden. Angesichts dieses Reiseziels bleibt nur noch eine Frage: »Die Union muss sich jetzt entscheiden, ob sie das will.«