Die Wissenschaft ist kein Feind
Die Neurowissenschaftlerin und Autorin Rachel Barr veröffentlichte kürzlich auf TikTok ein sehr schönes Statement gegen Wissenschaftsfeindlichkeit. Ich hab mir mal die Mühe gemacht und es übersetzt:
Die Wissenschaft und Wissenschaftler*innen sind nicht der Feind. Wir spielen im selben Team. Wir im Dienste der Gesellschaft. Unsere Aufgabe ist es, die Wahrheit zu finden, sie zu teilen und sie zu verteidigen. Wir nehmen eure Sorgen ernst und untersuchen sie gründlich. Wir dienen euch und sind nicht der Feind.
Politiker*innen und Regierungen sollten uns, die Wissenschaftler*innen und Expert*innen konsultieren, sodass sie Entscheidungen im Sinne der Gesellschaft treffen. Das passiert nicht immer und es wäre auch nicht das erste Mal in der Geschichte, dass die Wissenschaft Regierungen auf ihr Versagen hierbei zur Rede stellen müssen.
Die wissenschaftliche Gemeinschaft ist unabhängig von Pharma-Konzernen. Diese brauchen zwar Menschen mit wissenschaftlicher Ausbildung und stellen diese ein, doch sie unterscheiden sich von der akademischen Gemeinschaft. Wir existieren, um vor genau vor diesen Unternehmen zu schützen. Denken wir z.B. an Francis Kelsey in den 1960er Jahren, die Thalidomide [den Wirkstoff des Medikaments Contergan] nicht zulassen wollte, weil es keine hinreichenden Beweise für seine Unbedenklichkeit gab. Oder an die Tschornobyl-Kernreaktorkatastrophe 1986, als der sovietische Staat Ausmaß und Gefahren des Unfalls zu vertuschen versuchte – vor der eigenen Bevölkerung und der Welt. Wir Wissenschaftler*innen, unabhängige Wissenschaftler*innen in und außerhalb der UdSSR, waren es, die die Wahrheit aufdeckten. Wir sammelten Daten, brachten Ergebnisse hervor und teilten sie, sodass die internationale Gemeinschaft angemessen auf die Krise reagieren und die Zerstörung soweit wie möglich eindämmen konnte.
Als Akademiker*innen verdienen wir gerade zu Beginn unserer Karriere oft weniger als den Mindestlohn. Wir profitieren nicht finanziell davon, ein Ergebnis einem anderen vorzuziehen. Privatunternehmen schon. Politiker*innen und politisch Entscheidungsträger auch.
Wissenschaft, so wie alle menschengemachten Institutionen, ist nicht komplett immun gegen Korruption. Doch die Wissenschaftsmethodik und der akademische Prozess sind so aufgebaut, dass sie sehr gut vor Korruption geschützt sind. Viel besser als Privatunternehmen und die Politik, wo Korruption nicht nur freizügig stattfindet sondern auch explizit belohnt wird. Das System ist dort so aufgestellt.
Wissenschaftler*innen stehen im Dienste der Gesellschaft und wir stehen mit ihr. Und das ist auch der Grund, warum wir eine der stärksten Waffen gegen Korruption und Ausnutzung sind. Das ist der Grund, warum man euch davon zu überzeugen versucht, Wissenschaftler*innen und Expert*innen nicht zu trauen. Das ist Absicht.
Sicherlich spricht Barr damit zur Zeit vor allem US-amerikanische Menschen an – Trumps systemweiter autoritaristischer Angriff auf die Wissenschaft ist schließlich gerade im vollen Gange. Doch auch in Deutschland nimmt die Wissenschaftsfreiheit spürbar ab, wo neben den eher subtilen Einschränkungen (z.B. durch politisierte Förderpraktiken) auch offene Angriffe durch die AfD mittlerweile den Diskurs bestimmen.
Deshalb finde ich es wichtig, diesen Text auch auf Deutsch hier zu veröffentlichen.